Wunderwerk Spiegelneurone – oder was Sie von Dirigenten lernen können
Auch wenn Sie selbst vielleicht noch nie in einem Chor gesungen haben, wissen Sie sicher: Chorproben beginnen meist mit einem Einsingen. Manchmal wird es nur als mechanistisches Aufwärmen der Stimme verstanden, doch Einsingen bedeutet mehr als einfach zu Beginn der Probe ein paar Töne zu trällern. Oft übernimmt das Einsingen der Chorleiter, immer mehr Chöre leisten sich jedoch Stimmbildner, die zusätzlich zum chorischen Einsingen auch Einzelstimmbildung anbieten. Die Erfahrung zeigt: Einzelunterricht hilft nicht nur dem einzelnen Chorsänger, sondern kann auch den gesamten Chorklang dramatisch verbessern. Doch was macht ein Einsingen zu einem guten Einsingen, wie wird die chorische Stimmbildung wirklich effektiv? Um dem Geheimnis einer gelungenen chorischen Stimmbildung auf die Spur zu kommen, lohnt sich ein kurzer Exkurs in die Neurobiologie.
Im Jahr 1996 machte Giacomo Rizzolatti, Chef des Physiologischen Instituts der Universität Parma, eine interessante Entdeckung: Er fand heraus, dass es so etwas wie „neurobiologische Resonanz“ gibt. Das menschliche Gehirn besitzt bestimmte Nervenzellen, sogenannte Spiegelneurone, die, sobald eine Handlung beobachtet wird, aktiv werden und im Beobachter die beobachtete Handlung fast zeitgleich simulieren. Lächelt uns jemand an, erwidern wir dieses Lächeln – unwillkürlich und ohne darüber nachzudenken. Spiegeln funktioniert im Positiven wie im Negativen: Stößt sich jemand den Knöchel, leiden wir mit. Juchzt das Kind auf der Schaukel, freuen wir uns mit. Auf die Stimme bezogen: Wenn jemand eine Übung vorsingt, reagieren unsere Spiegelneurone und aktivieren ein bestimmtes motorisches Muster – und zwar exakt das gleiche, als wenn wir die Übung selbst singen würden. Dieses Spiegeln passiert simultan, unwillkürlich, ohne jedes Nachdenken.
Im Grunde ist das alles nicht neu. Ganze Generationen von Stimmbildnern haben das Vorsingen-Nachsingen-Prinzip genutzt und nutzen es heute noch. Jetzt jedoch wissen wir, warum dieses Prinzip so gut funktioniert: Spiegelneurone! Aber wie genau können Sie sich dieses Spiegel-Phänomen nutzbar machen? Wie kann Ihnen das „Vorsingen-Nachsingen-Prinzip“ dabei helfen, erfolgreicher zu kommunizieren?
Chordirigenten sind im wahrsten Sinne des Wortes „Tonangeber“. Sie stehen vorn. Sie geben den Takt vor. Die Erfahrung zeigt: damit Konzerte gelingen, ist vor allem eines nötig – eine optimale Kommunikation. Der Ton macht bekanntlich die Musik – was für ein Chorkonzert gilt, gilt genauso für Produktlaunch, Messeauftritt oder Unternehmenspräsentation. Als „Tonangeber“ in Ihrem Unternehmen sollten Sie sich Ihres Kommunikationsstils sehr bewusst sein. Es ist nicht nur von Belang, was Sie sagen, sondern vor allem, wie Sie es sagen. Das Wissen um die Spiegelneurone zeigt, wie wichtig es ist, wie Sie kommunizieren. Je bewusster Ihnen dieses Werkzeug ist, umso gezielter und effektiver können Sie es einsetzen.
Haben Sie Lust, die ansteckende Wirkung von Stimme gleich auszuprobieren? Warum singen Sie dann nicht mal wieder? Ob im Chor oder im Unternehmen – lassen Sie die Spiegelneurone tanzen!
Judith Maria Schweiger, Kirchen- und Schulmusikerin
in Zusammenarbeit mit Frederik Beyer
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